DSGVO – Urteil EUGH Arbeitnehmerdatenschutz und Arbeitszeiterfassung durch Fingerabdruck

Ein „Hot Spot“ für Diskussionen im Arbeitsrecht in Deutschland ist der Bereich der Arbeitszeiterfassung und Ausgangspunkt für ein Gerichtsurteil. Ein Urteil des europäischen Gerichtshofs (EuGH) aus dem Jahr 2009 ist der Auslöser.

Das Urteil besagt, dass der Arbeitgeber eine Pflicht hat, die Arbeitszeit der Arbeitnehmer umfangreich zu erfassen. Dies wirft bei den Arbeitgebern die Frage auf, was ein System können muss, um die Vorgaben zu erfüllen. Das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) wurde noch nicht an die EU-Vorgaben angepasst, so dass es den Arbeitgebern keine Hilfe bietet.

Ein Fall/Urteil vom LAG Berlin-Brandenburg aus 06/2020 zeigt, wo die Fallen für einen Arbeitgeber liegen, wenn er ein System einführen will, mit welcher er die Arbeitszeit mit biometrischen Daten erfassen möchte. Zu den biometrischen Daten gehört beispielsweise der Fingerabdruck.

Das Urteil des EuGH vom 14.05.2019 als Ausgangspunkt.

Dieses Urteil vom EuGH gilt aktuell als aufsehenerregend. Dieses Urteil sagt aus, dass der Arbeitgeber die Arbeitszeit sowie Pausen der Arbeitnehmer zu erfassen hat. Dabei ist der Arbeitgeber verpflichtet das Erfassungssystem verlässlich, zugänglich und objektiv anzubieten. Dieses Urteil ergibt sich aus einem Grundrecht. Das Grundrecht nach Art. 31 Abs. 2 EU-Grundrechte-Charta gibt vor,dass die Arbeitszeit auf ein Maximum begrenzt ist, sowie dass es Ruhezeiten gibt, welche täglich und wöchentlich einzuhalten sind. Weiterhin besteht der Anspruch auf den Jahresurlaub.

Das Zeiterfassungs-System kontrolliert zum einen die Vorgaben der Arbeitszeit und stellt außerdem sicher, dass es einen gewissen Gesundheitsschutz für die Arbeitnehmer gibt.

Das deutsche Arbeitszeitgesetz kannte bislang keine Pflicht zur umfassenden Erfassung der Arbeitszeiten. Das Bundesarbeitsministerium hat einen Gesetzentwurf angekündigt, der das ArbZG an die Vorgaben des Europarechts anpasst. Bis zum Zeitpunkt Oktober 2020 ist dieser Gesetzentwurf noch nicht veröffentlicht worden. Einzelne Arbeitsgerichte gehen davon aus, dass deutsch Arbeitgeber das Urteil des EuGH umsetzen müssen, da es sich aus der EU-Grundrechte-Charta ableitet, auch wenn das Arbeitszeitgesetz noch nicht angepasst wurde, was die Unsicherheit der deutschen Arbeitgeber auch im Bezug auf die Erfassung der Arbeitszeit noch verstärkt.

 

Gegenüber dem Arbeitnehmer hat die Pflicht zur Einrichtung eines zugänglichen, verlässlichen und objektiven Systems zur Arbeitszeit-Efassung den Charakter einer Nebenpflicht, entsprechend dem § 241 Abs. 2 BGB.

Das stellt deutsche Arbeitgeber vor ein Problem. Wie soll er sicherstellen, dass sein neues System in seinem Betrieb die Vorgaben des Urteils erfüllt. Was genau soll sich der Arbeitgeber unter „objektiv“, „zugänglich“ und „verlässlich“ vorstellen? Die Arbeitgeber sind hier völlig alleingelassen vom Gesetzgeber und von den Gerichten.

Kann der Arbeitgeber die Arbeitszeit mittels Fingerprint erfassen?

Das LAG Berlin-Brandenburg hat vor kurzem ein Urteil (Urt. v. 04.06.2020 – 10 Sa 2130/19) erlassen, welches zeigt, was nicht geht:

In einem Betrieb wurde vom Arbeitgeber ein System zur elektronischen Zeiterfassung eingeführt, wo die Erfassungen durch die Mitarbeiter mit Hilfe eines Fingerabdrucks durchgeführt werden sollte. Die Nutzung dieses neuen Systems wurde von einem Mitarbeiter verweigert. Dieser Mitarbeiter nutzte weiterhin einen Dienstplan, in welchen er seine Arbeitszeiten mit Hand eintrug. Aufgrund dieser Weigerung erteilte der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine Abmahnung. Der Arbeitnehmer reagierte auf die Abmahnung mit einer Klage vor dem Arbeitsgericht.

Das Arbeitsgericht Berlin war die erste Instanz. Nach einer Berufung war das LAG Berlin-Brandenburg zuständig. Das Urteil besagte, dass die Abmahnung rechtswidrig war und gab dem Arbeitnehmer recht. Im Urteil wurde darauf hingewiesen, das auch Minutien biometrische Daten sind. Minutien sind nicht komplette Abdrucke eines Fingers, sondern nur die Endpunkte und Verzweigungen, nicht ein ganzer Fingerabdruck. Nach dem Sinn des Art. 4 Nr. 14 der EU-Datenschutzgrundverordnung handelt es sich dabei um biometrische Daten. Nach Art. 9 Abs. 1 DSGVO ist es verboten, biometrische Daten zu erfassen und zu verarbeiten. Die Richter sehen es so, dass der § 26 Bundesdatenschutzgesetz mit seinen Vorgaben keine andere Entscheidung zulässt.

Es gibt Ausnahmen, die es möglich machen biometrische Daten zu verarbeiten. In Art. 9 Abs. 2 DSGVO (Datenschutzgrundverordnung) werden die erlaubten Situationen beschrieben. Das Gericht sah es nicht als gegeben an, dass die Ausnahme des Art. 9 Abs. 2 b DSGVO vorlag. Das Gericht war der Meinung, dass es unnötig ist, die Arbeitszeit mit biometrischen Daten, also dem Fingerabdruck zu erfassen, da es andere Wege gibt die Pflichten des Arbeitsverhältnisses nachzukommen, ohne derart in das Grundrecht des Arbeitnehmers einzugreifen.

Das Gericht sieht es allerdings als datenschutzrechtlich zulässig an, wenn die Zeiterfassung mit Hilfe eines Transponders oder einer Chipkarte vorgenommen wird, ohne das biometrische Daten eingebunden sind.

Tipp für die Praxis:

Es ist nicht sinnvoll, für einen Arbeitgeber darauf zu warten, dass das Arbeitszeitgesetz geändert wird. Arbeitgeber sollten sofort ein System zur Arbeitszeiterfassung einrichten. Dieses System sollte eingeführt werden, auch wenn aktuell noch nicht genau abgeklärt ist, was das EuGH mit den Begriffen verlässlich, zugänglich und objektiv meint. Viele Unternehmen haben ein System zur Arbeitszeiterfassung eingerichtet, welches mit einem Transponder oder einer Chipkarte arbeitet. Ein System dieser Art sollte von Arbeitgebern installiert werden, da es in der Regel die Vorgaben des EuGH erfüllt. Auch wenn die Erfassung und Verarbeitung biometrischer Daten nicht gegeben ist. Wichtig ist, dass die Arbeitgeber ihr System der Zeiterfassung regelmäßig darauf überprüfen, ob alle Vorgaben des Datenschutzes erfüllt werden, hier besonders die Art. 5 und 6 der DSGVO (Datenschutzgrundverordnung).

Der Arbeitgeber muss vorsichtig sein, wenn es darum geht biometrische Daten zu erfassen und zu verarbeiten. Biometrische Daten gehören zu den hochsensiblen Daten und sind im Zusammenhang mit der Erfassung der Arbeitszeit eher unzulässig. Die Arbeitnehmer können nach Art. 9 Abs. 2 a der Datenschutz-Grundverordnung der Erfassung und Verarbeitung der biometrischen Daten zustimmen. Es werden wahrscheinlich nie alle Arbeitnehmer zustimmen und die Einwilligung ist mit hohen Anforderungen verbunden, damit sie wirksam sind. Es gibt Lösungswege, wie die Einführung einer Betriebsvereinbarung, wenn der Betriebsrat dem positiv gegenübersteht.

Wird gegen die Artikel 5, 6, oder 9 der Datenschutz-Grundverordnung verstoßen, dann kann es verschiedene Folgen haben, wie arbeitsrechtliche Streitigkeiten und Bußgelder in nicht unerheblicher Höhe. Bis zu 20 Millionen Euro Bußgeld können nach Art. 83 Abs. 5 a der Datenschutz-Grundverordnung drohen. Ein Unternehmen kann ein Bußgeld in Höhe von bis zu vier Prozent seines gesamten – weltweit erzielten Umsatzes – des vorigen Geschäftsjahres – zahlen müssen. Da dies ein extrem hohes Bußgeld sein kann, ist es ratsam, auf die Richtlinien des Datenschutzes zu achten. Hierzu kann auch ein externer Datenschutzbeauftragter zur Rate gezogen werden.

 

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