DSGVO – Nutzung Corona-Warn-App und Arbeitsrecht
Am 16. Juni 2020 wurde die Corona-Warn-App veröffentlicht. Die App hat das Ziel, Kontaktketten von positiv getesteten Personen zum Corona-Virus frühzeitig zu erkennen und zu unterbrechen. Je früher eine Person über eine mögliche Ansteckung informiert wird, umso rascher kann sie reagieren und Schritte einleiten, um keine weiteren Personen anzustecken. Die App kann kostenlos im App Store und bei Google Play auf das Smartphone heruntergeladen werden. Der Einsatz der App spielt nicht nur im privaten Bereich eine Rolle, sondern auch im Arbeitsverhältnis. Dabei ergeben sich für Arbeitnehmer und Arbeitgeber zahlreiche Fragestellungen, die in diesem Artikel beleuchtet werden.
Lesen Sie hier:
Funktionsweise der App
Wenn sich zwei Smartphones begegnen, auf denen die App installiert ist, erkennen sich die Geräte. Via Bluetooth wird alle paar Minuten ein zufälliger Zahlenschlüssel generiert, welcher zwischen den Smartphones ausgetauscht wird. Aufgrund der Signalstärke durch die Bluetooth-Verbindung kann ermittelt werden, wie lange die Begegnung gedauert hat, wie groß der Abstand zwischen den Geräten und damit zwischen den Personen war.
Wurde bei einem Nutzer der App ein Corona-Test durchgeführt, kann dieser mittels QR-Code, TAN oder einer Telefonhotline den Test der App melden. Wenn das Testergebnis vorliegt, wird es automatisch vom Server des Robert-Koch-Instituts (RKI) an den Nutzer übermittelt und er erhält das Ergebnis früher als auf dem Postweg. Zugleich werden bei einem positiven Testergebnis die Zahlenschlüssel, welche die App in den letzten Tagen generiert hat, an das Robert-Koch-Institut gesendet und über den Server verwaltet. Alle 24 Stunden gleichen die Smartphones die lokal gespeicherten Zahlenschlüssel mit den Zahlenschlüsseln über infizierte Personen vom RKI-Server ab. Passen die Zahlenschlüssel zueinander, bedeutet dies, dass sich die Smartphones und damit die Personen begegnet sind und der Infizierte möglicherweise die andere Person angesteckt haben könnte.
Das Risiko der Ansteckung ist von verschiedenen Faktoren abhängig. Daher wird im ersten Schritt ein Entfernungsprofil und die Kontaktdauer ausgewertet, um einen Risiko-Score zu ermitteln. Wurde beispielsweise der Abstand eingehalten oder die Begegnung hat nur wenige Minuten gedauert, dann nennt die App zwar eine Zahl von riskanten Begegnungen, jedoch erhöht sich dadurch nicht der Risiko-Score des Nutzers. Ist laut des Entfernungsprofils der Abstand für eine gewisse Zeit unterschritten worden, so erfolgt via Push-Nachricht eine Warnmeldung. Hat der Benutzer die Benachrichtigung ausgeschaltet, wird die Warnmeldung beim Öffnen der App sichtbar. Die App gibt dem Nutzer entsprechende Handlungsempfehlungen, welche nächsten Schritte ratsam wären z.B. Kontaktaufnahme zum Gesundheitsamt oder dem Hausarzt.
Datenschutz der Corona-Warn-App
Das Verfahren der App beruht auf dem Prinzip der doppelten Freiwilligkeit. Sowohl die Installation der App als auch die Weitergabe des Infektionsverdachts ist nicht verpflichtend. Bei der Entwicklung der App wurde Wert auf die Einhaltung der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) gelegt. Eine elementare Anforderung der DSGVO ist, dass der Nutzer zu nichts gezwungen wird und freiwillig die App gebraucht. Des Weiteren verlangt die DSGVO, dass so wenige Daten wie möglich erhoben werden. Dies wird durch die Trackingfunktion der App gewährleistet, die nur die Rückverfolgung von Ketten von infizierten Personen mit anderen Personen ermöglicht. Die Zahlenschlüssel von Kontakten werden dezentral auf dem jeweiligen Smartphone gespeichert. Nur die anonymisierte Liste der Zahlenschlüssel von an Covid-19 erkrankten Personen wird zentral auf dem RKI-Server gespeichert, damit die Smartphones diese regelmäßig abrufen können. Somit erfolgt keine Speicherung von personenbezogenen Daten. Die lokalen Daten auf dem jeweiligen Smartphone werden spätestens nach 14 Tagen gelöscht. Der Nutzer hat auch die Möglichkeit, die gespeicherten Daten jederzeit zu löschen.
Kann der Arbeitgeber die Nutzung der App anordnen?
Die oberste Anforderung der Datenschutzgrundverordnung ist die Freiwilligkeit der Nutzung der App. Der Arbeitgeber kann nicht einseitig anordnen, dass die Warn-App zu nutzen ist und daran beispielsweise den Zutritt zum Betrieb knüpfen. Werden den Beschäftigten durch den Arbeitgeber Diensthandys zur Verfügung gestellt, kann der Arbeitgeber zum Schutz der Belegschaft die Installation der App anordnen. Eine Verpflichtung die App tatsächlich zu nutzen, besteht nicht. Ebenso kann der Arbeitgeber die Arbeitnehmer auch nicht dazu verpflichten, dass Smartphone in der Freizeit anzulassen, da dies den Privatbereich umfasst. Der Arbeitgeber kann auch nicht von den Beschäftigten fordern, dass sie die App auf ihren privaten Smartphones installieren. Möchten die Arbeitnehmer freiwillig die App auf ihren Diensthandys installieren, ist dies nur gestattet, wenn die Zustimmung des Arbeitgebers vorliegt.
Hat Betriebsrat Mitbestimmungsrecht?
Existiert ein Betriebsrat im Unternehmen, ist es zu empfehlen, dass der Arbeitgeber und der Betriebsrat gemeinsam betriebsinterne Regelungen aufstellen, wie mit der Installation der App umgegangen werden soll und was die arbeitsrechtlichen Folgen bei einer Warnung durch die App sind. Zum einen hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht bei der Aufstellung von Verhaltensregeln gemäß § 87. Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Zum anderen liegt in den arbeitsrechtlichen Konsequenzen auch die größte Unsicherheit für die Arbeitnehmer, die durch Aufstellung von Verhaltensregeln gemindert werden können.
Arbeitsrechtliche Folgen für die Arbeitnehmer
Die arbeitsrechtliche Frage und Beurteilung im Zusammenhang mit der Corona Pandemie ist bisher in vielen Bereichen noch ungenügend geregelt. Bereits eindeutig geregelt ist der Sachverhalt, wenn das Gesundheitsamt eine Quarantäne gemäß § 30 IfSG anordnet. Entweder erbringt der Arbeitnehmer dann seine Arbeitsleistung im Homeoffice oder der Arbeitgeber muss dem Beschäftigten den Lohn für maximal sechs Wochen fortzahlen und ihn von der Arbeit freistellen. Das Geld für die Lohnfortzahlung kann sich der Arbeitgeber von den Behörden auf Antrag gemäß § 56 Abs. 5 IfSG erstatten lassen. Des Weiteren ist die Sachlage auch eindeutig geregelt, wenn der Arbeitnehmer an Covid-19 erkrankt ist. Dann erhält der Arbeitnehmer eine entsprechende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom Arzt, die den Arbeitgeber zur Entgeltfortzahlung verpflichtet.
Auch wenn grundsätzlich der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber nicht seine konkrete Erkrankung mitteilen muss, sieht es bei einer Covid-19 Infektion etwas anders aus. Die arbeitsvertragliche Nebenpflicht des Arbeitnehmers besteht darin, den Arbeitgeber über ein positives Testergebnis zu informieren, damit dieser Schutzmaßnahmen einleiten kann. Im Rahmen des Arbeitsschutzes hat der Arbeitgeber Pflichten und Verantwortungsbereiche. Mit geeigneten Hygienemaßnahmen hat er den Schutz seiner Arbeitnehmer sicherzustellen und Infektionsmöglichkeiten soweit wie möglich zu reduzieren.
Deutlich schwieriger ist die Rechtslage, wenn der Arbeitnehmer keine Symptome aufweist und nur über die App gewarnt worden ist. Eindeutig ist, dass die alleinige Warnung durch die App den Beschäftigten nicht dazu berechtigt, von der Arbeit entschuldigt unter Fortzahlung seines Entgelts fern zu bleiben. Fraglich ist aber, ob die Beschäftigten verpflichtet sind, den Arbeitgeber über die Warnung zu informieren. Rein rechtlich ist diese Frage bislang noch nicht eindeutig geklärt. Die herrschende Meinung leitet jedoch aus den arbeitsvertraglichen Nebenpflichten des Arbeitnehmers eine Rücksichtnahme- und Treuepflicht gemäß § 241 Abs. BGB ab. Über den Infektionsverdacht informieren ist demnach eine Pflicht des Arbeitnehmers. Diese Pflicht würde auch bestehen, wenn der Arbeitnehmer ohne die App die Information erhält, dass er Kontakt mit einem Corona-Infizierten hatte. Würde diese Pflicht nicht bestehen, hätte der Arbeitgeber keine Möglichkeit, die übrigen Beschäftigten zu schützen und geeignete Maßnahmen einzuleiten.
Was darf der Arbeitgeber
Der Arbeitgeber kann z.B. den Mitarbeiter in ein Einzelbüro setzen oder ihn anweisen, die Arbeit aus dem Homeoffice zu erbringen, soweit dies möglich ist. Ferner kann der Arbeitgeber den Mitarbeiter bis zur Klärung des Infektionsverdachts auch bezahlt von der Erbringung der Arbeitsleistung freistellen. Eine unterlassene Information an den Arbeitgeber könnte zudem zu einem Schadensersatzanspruch des Arbeitgebers führen, wenn ihm dadurch kausal ein Schaden entsteht. Vor allem sind mit der unterlassenen Information arbeitsrechtliche Konsequenzen wie eine Abmahnung oder im schlimmsten Fall die Kündigung des Arbeitsverhältnisses verbunden. Dies ist insbesondere dann gegeben, wenn der Arbeitnehmer durch sein Schweigen andere Menschen in Gefahr bringt z.B. bei einer Tätigkeit im Krankenhaus oder in der Pflege.
Zu beachten ist, dass die Nebenleistungspflicht des Arbeitnehmers sich auch darauf erstreckt, sich nicht bewusst der Gefahr einer Infektion auszusetzen, indem er beispielsweise den Kontakt zu infizierten Personen sucht, um im Homeoffice arbeiten zu können. Die schließt auch ein, sich an die gesetzlichen Vorgaben wie die Abstands- und Maskenpflicht zu halten.
Die Entwicklung der Warn-App ist ein guter Gedanke, jedoch fehlt es gerade im Bereich des Arbeitsrechts an juristischen Entscheidungen, wie mit der App und den Folgen umgegangen werden soll. Momentan liegt es an den Arbeitnehmern und Arbeitgebern in vielen Bereichen individuelle Lösungen zu finden.
Weitere Beiträge zum Thema:
DSGVO – In Corona-Pandemie geraten Gesundheitsinformationen der Beschäftigten in den Fokus des Arbeitsverhältnisses
Corona – Beschäftigtendatenschutz und Übersicht erlaubter und unerlaubter Maßnahmen durch Arbeitgeber unter Beachtung der DSGVO
DSGVO – Homeoffice, Empfehlung für Arbeitgeber auch zur Corona Pandemie
DSGVO – Pandemie Coronavirus – Richtlinien & Maßnahmen zum Homeoffice
Hinterlasse einen Kommentar